"Ich geh' dann mal schaukeln." - Ist es okay, keinen Bock mehr auf Corona zu haben?

Erstellt von Carmen Bösen | |   Gesundheitsmanagement

Die Corona-Lockerungsmaßnahmen schreiten voran. Die Reaktionen? „Völlig unverständliche Maßnahmen!“ „Pure Schikane!“ „Wieso lassen wir uns das noch gefallen?!“ „Der Hype ist doch eh‘ vorbei!“ Warum diese Unzufriedenheit?

Ja, wann ist sie denn nun endlich vorbei, diese Corona-Zeit?!

… Ach ups,  so hab‘ ich schon mal einen Blogeintrag begonnen. Und doch: Es wird zunehmend lauter. Vor allem das eigene Quengeln in meinem Kopf. Begehrlichkeiten meines Herzens kämpfen hier mit – ja mit wem eigentlich? Ist es mein innerer Kritiker: Stell‘ dich nicht so an! Oder eher mein schnippisches Gewissen: Denk‘ nicht nur an dich! Denn jetzt mal ehrlich: Ist es nicht ziemlich unsolidarisch, keinen Bock mehr auf Corona zu haben?

Naja. Solidarisch heißt: für jemanden eintreten, sich gegenseitig verantwortlich fühlen. Für uns als Kirche und auch in der Gesellschaft hat das tendenziell einen hohen Wert.
Doch Wertung ist mit Erwartung verbunden. Wenn ich mich nicht solidarisch verhalte, bin ich also nicht nur unsolidarisch, sondern: im besten Fall „nur“ frech, gemein oder egoistisch. Im schlimmsten Fall:  rücksichtslos, bis hin zu ungebildet. Außerdem ist es ja auch vernünftig, sich an die Regeln zu halten. Hm. Vielleicht ist es dann eher nicht so solidarisch und vernünftig, „keinen Bock“ mehr auf Corona zu haben. Oder?

Nun ja: In jedem Fall ist es menschlich.
Menschen wollen nicht ständig vernünftig sein! Unser Verhalten ist immer Ausdruck unserer Gefühle und Bedürfnisse. Und wir wollen unsere Gefühle leben dürfen, ob positiv oder negativ!
Wenn ich dabei das Gefühl habe etwas schier nicht aushalten zu können, dann stelle ich immer fest, dass das am Ende mehr mit mir zu tun hat als mit den anderen. Das ist manchmal echt unangenehm - aber die Realität. Wenn solidarisch also auch heißen darf, für mich selbst einzutreten und mich für mich selbst verantwortlich fühlen zu dürfen: Ja, dann wird meine Unlust auf Corona spätestens in dem Moment solidarisch,  in dem ich meine Gefühle, Glück wie Leid, teile und vor allem die Zuversicht auf eine bessere Zeit. Mit allem Respekt vor den persönlichen Grenzen des anderen. Das ist anstrengend – und zusammen geht es besser. Denn das ist es doch, was jault und tobt, solange bis ich trotzig werde und eben auf die Schaukel will. Um es abzulassen, wie früher: Den Frust und die Enttäuschung,  weil eben das Wesentliche - das Bedürfnis nach ganz analoger Nähe und Körperkontakt - bei aller Lockerung nicht gehört wird.  Ob alt oder jung, weiblich oder männlich, divers, schwarz oder weiß: Sich nah sein, Liebe und Anteilnahme ausdrücken und erfahren, ist ein menschliches Grundbedürfnis. Und wenn ich etwas für meine Gesundheit und mein Wohlbefinden tun möchte, tue ich gut daran, diese Bedürfnisse wahrzunehmen und nicht zu verdrängen.

„Akzeptiere, was du nicht verändern kannst und verändere, was du verändern möchtest.“

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Beim Schaukeln entspannen - nicht nur Kinder.